Wenn nicht der Vorgesetzte dem Mitarbeiter die Aufgabe zuweist, sondern die Aufgabe ganz von selbst zur richtigen Person kommt. So war das der Fall bei Devid Penner, der in den letzten Jahren im Rahmen seiner Zusammenarbeit mit Auszubildenden und Studenten in der Softwareentwicklung sein Talent im Umgang mit unserem Nachwuchs entdeckte. Da Brigitta Schrempp das Thema Ausbildung sehr am Herzen liegt, unterstütze sie das Interesse von Devid Penner im Rahmen einer Weiterbildung zum Ausbilder bei der IHK und schaffte die internen Strukturen.
Im Interview erklären die beiden, worauf wir bei schrempp in Sachen Ausbildung Wert legen und wie alle davon profitieren.
Frau Schrempp, Devid Penner hat sich nicht konkret auf die Stelle aus Ausbildungsleiter beworben, da diese vorher noch nicht in dieser Form existierte. Wie hat sich das ergeben?
Da ich sehr viel im direkten Austausch bin mit unseren Studenten und Azubis habe ich mitbekommen, dass Herr Penner sehr gerne mit den jungen Menschen zusammenarbeitet und ihnen sehr gut sein Wissen vermitteln kann.
Parallel dazu haben wir im Team festgestellt, dass hausintern Bedarf besteht, da unser bisheriger Ausbildungsverantwortliche Tobias Lachmann, zunehmend andere, wichtige Aufgaben bekam. Wir suchten also nach jemand, für den es Sinn macht und dem es möglich ist, die Ausbildung als Hauptaufgabe zu übernehmen. Nach einem längeren Dialog haben wir beschlossen, es mit Devid Penner auszuprobieren. Er hatte zwar keine Erfahrung in diesem Bereich, dafür aber sehr viel Wissen und Motivation.
Herr Penner, Sie haben bereits vor einem Jahr begonnen, sich mit der Ausbilderpraxis vertraut zu machen und Erfahrung zu sammeln. Wie ist die bisherige Zwischenbilanz auf Ihrer Seite und aus Sicht der Kollegen?
Ich bin erfüllt von dem Job und es macht mir wirklich Spaß, die Tätigkeit jeden Tag neu in Angriff zu nehmen. Allerdings ist der Weg zum geübten Ausbilder in allen Lebenslagen noch lang und erfordert viel Selbstreflexion und Ausprobieren. Ich hänge mich darum mit all meiner Menschlichkeit und meinem Menschsein rein.
Was die Kollegen betrifft, habe ich bereits öfter direktes positives Feedback bekommen und auch über den Flurfunk gehört, wie gut es doch ankomme. Gelobt wurde die bedeutend geschmeidigere Kultur und dass sich generell das Klima nochmals gebessert habe. Ebenso der engagierte Einsatz, auch im Vergleich zu vorherigen Berufserfahrungen meiner Azubis. Dadurch, dass Azubis noch stärker als bisher in das Gesamtgefüge integriert wurden, brach regelrecht die Euphorie aus. Ich muss oft darauf achten, dass sie [die Azubis] nicht zu lange im Büro bleiben.
Frau Schrempp, neben einem guten Ausbildungsleiter brauchen wir die richtigen Kandidaten für die Ausbildung bzw. das Studium. Wie sorgen Sie beim Recruiting-Prozess für eine möglichst gute Passung zum Berufsfeld und zum Unternehmen?
Wir schauen vor allem darauf, ob sich die Bewerber mit der Ausschreibung und dem Umfeld beschäftigt haben. Dann entscheiden wir gemeinsam, wen wir persönlich kennenlernen möchten. Wer eingeladen wird, hat einen Besuchstag, bei dem sie bzw. er das Unternehmen und die Mitarbeiter kennenlernen kann. Das erlaubt den Bewerbern selbst zu entscheiden, ob sie diese Reise mit uns antreten möchten. Auch wir schauen uns die Kandidaten an und achten darauf, ob sie ins Team passen. Dabei ist es unter anderem unser Ziel, Menschen aus unterschiedlichen Kulturen zu verbinden. Dazu brauchen wir Teamplayer, welche sich für die Aufgabe eignen. Die Bewerber sollten kommunikativ und freundlich auftreten sowie die Kooperation mit allen Kollegen anstreben. Natürlich müssen sie Interesse an der Informatik haben.
Herr Penner, wie kümmern Sie sich darum, der Aufgabe vor dem Hintergrund sich verändernder Anforderungen gerecht zu bleiben? Inwiefern spielt da lebenslanges Lernen, ein zentraler Softskill unserer Zeit, eine Rolle?
Spätestens seit dem Studium liebe ich es, mir selbst Fachthemen anzueignen. Meist nehme ich dazu ein gutes Fachbuch in die Hand und bespreche teils mit Kollegen, wie relevant das Thema ist für unsere Arbeit. Mein Interesse gilt vielen Bereichen, auch der Pädagogik. Wie kann ich mich weiterentwickeln und die Themen aus dem IHK-Lehrgang weiter vertiefen? Welche Tricks gibt es effizient zu arbeiten? Softwareprojekte bestehen aus sehr vielen Handgriffen und es braucht Strategien, um den Ablauf zu planen, die Schritte zu portionieren bzw. delegieren. Dabei ist es wichtig, immer wieder neues Methodenwissen anzueignen.
Frau Schrempp, worauf kommt es bei der betrieblichen bzw. dualen Ausbildung an? Welche Schwerpunkte setzen wir also neben der Vermittlung von Programmierwissen?
Hauptziel der Ausbildung ist die Sicherstellung der beruflichen Handlungskompetenz. Dabei unterscheiden wir drei Bereiche: Bei der Individualkompetenz geht es z.B. um Frustrationstoleranz und Selbstreflexion im Hinblick auf die Aufgabenbearbeitung. Die Sozialkompetenz betrifft den Umgang mit Kollegen und Kunden, z.B. klären wir die Fragen: Wie kommt man an Informationen? Traut man sich jemanden anzusprechen? Ein dritter Schwerpunkt ist die Methodenkompetenz. In diesem Zusammenhang schauen wir uns an, wie man an eine Aufgabe herangeht und wie man eine Softwareherausforderung meistert.
Außerdem achten wir darauf, dass sich die Schüler entfalten können und es schaffen, sich einzubringen, d.h. dass sie teilhaben am Erfolg unseres Unternehmens und lernen, sich zu spezialisieren, also ihre eigenen Stärken und Schwächen einordnen. Wichtige Begriffe sind hier Selbstwirksamkeit und Sinnhaftigkeit. Der Azubi ist motivierter, wenn er versteht, wie sein Tun zur Unternehmensmission beiträgt.
Herr Penner, das Thema Fehlerkultur ist aktuell in aller Munde. Wie gehen Sie damit um im Bereich der Ausbildung bzw. in der Softwareentwicklung allgemein?
Fehler sind nicht schlecht per se, sondern Resultat davon, etwas Neues auszuprobieren und festzustellen, dass es nicht zum Ergebnis führt. Das kann auch ein Zwischenschritt zu einer Innovation sein wie z.B. der Dyson-Staubsauger, der über 5.000 Einzeloptimierungen entwickelt wurde.
Auf den Ausbildungsbetrieb wenden wir das so an, dass wir unsere Schüler dazu ermuntern, selbst kreativ zu sein, etwas auszuprobieren und zu bewerten, ob eine Lösung für den Gesamtprozess nützlich ist. Das bestmögliche Ergebnis kann man nur erreichen, wenn man etwas Neues ausprobiert. Ich finde es wichtig, die Kreativität des Schülers zuzulassen und nicht zu untergraben. Wenn man möchte, dass jemand eigenständig Aufgaben löst, sollte man auch den Spielraum geben, selbsttätig neue Lösungen zu finden.
Frau Schrempp, der Anteil an weiblichen Auszubildenden und Studenten ist immer noch sehr gering – in der Branche insgesamt und auch bei Ihnen. Woran liegt das und was tun Sie, um dem entgegenzuwirken?
Das stimmt, laut dem Statistischen Amt der Europäischen Union (Eurostat) lag der Frauenanteil in der IT‑Branche in Deutschland 2022 bei 17,5 Prozent. Das ist viel zu wenig. Letztes Jahr hatten wir allerdings einen sehr starken Zulauf zu unserem Angebot zum Girls‘ Day. Neun Mädchen im Alter zwischen 11 und 14 Jahren schnupperten einen Tag lang bei uns in die Softwareentwicklung. Auch dieses Jahr machen wir wieder beim Zukunftstag für Mädchen mit und posten immer wieder Inhalte zu diesem Thema in den Social Media. Wenn wir auf Berufsinfomessen unterwegs sind merken wir, dass sich immer mehr Mädchen für unser Angebot interessieren. Darüber freuen wir uns sehr, denn das Beste für uns sind gemischte Teams, die dank der unterschiedlichen Talente und Fähigkeiten der Teammitglieder die besten Ideen hervorbringen.
Herr Penner, gibt es in Ihrem Aufgabenbereich auch Herausforderungen, die Sie als besonders schwierig oder geradezu unlösbar beschreiben würden?
Schwierig ist, dafür zu sorgen, dass die Lerninhalte haften bleiben. Ich will nicht einfach jeden nach dem ersten Kaffee fragen, was er gestern gelernt hat. Ich muss darauf eingehen, wie die Vergessenskurve aussieht und welche Intervalle man hierbei wählen sollte. Auch wähle ich Methoden und Medien so, dass es für die Schüler leicht ist, nachzumachen, auszuprobieren und damit auch die Behaltensquote zu steigern.
Was unlösbar ist: Ich kann den Leuten nicht per Schnittstelle Informationen ins Gehirn laden. Es bringt nichts, einfach meinen Erfahrungsschatz herunterzubeten. Dementsprechend wähle ich Aufgaben so, dass sie auch mal gegen eine Wand laufen. Diese Hindernisse verpacken meine Erfahrung, d.h. die Schüler können selbst erkennen, was nicht funktioniert und warum. Hierbei ist es wichtig, implizites Lernen zu berücksichtigen. Implizite Lernvorgänge, wie Fahrradfahren, finden selbstständig statt, können aber anhand von Leitplanken geführt werden. Die Kunst als Lehrer besteht darin, die Leitplanken richtig zu setzen.